Tuesday, December 6, 2011

Die Bedeutung der Sprache

Die Sprache ist seit jeher die Grundlage der Kommunikation, die es den Menschen erlaubt, sozial organisiert zusammenzuleben. Daher ist es nicht unverständlich, dass die Griechen als Erfinder der Demokratie die Rhetorik als zentrale Disziplin der Bildung etablierten.

Sie erkannten die Macht der Sprache als Instrument zur Beeinflussung der Öffentlichkeit, aber auch die Möglichkeit, durch ihre geschickte Anwendung und Analyse zur Wahrheitsfindung beizutragen.

Auch, oder gerade, heute ist es besonders wichtig, sehr genau darauf zu achten, was behauptet wird. Oft werden uns subjektive Annahmen als objektive Erkenntnisse vermittelt, was besonders in der Politik und in der Werbung durch geschickte Anwendung rhetorischer Mittel versucht wird - und daher eine kritische Auseinandersetzung mit der Sprache erfordert.

Für die Kommunikation politischer Inhalte ist die Sprache ein wichtiges Instrument. Die rhetorischen Fähigkeiten der Parteisprecher entscheiden oft über Erfolg oder Misserfolg der spezifischen Anliegen.

Rhetorik ist in der Politik aber nicht nur zwingend notwendig, sondern auch erwünscht. Sie birgt Möglichkeiten einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Gestaltung des politischen Miteinanders in der Welt, z.B. in der Konfliktbewältigung.

Waffengewalt als ein legitimes Mittel in nationalen und internationalen Konflikten zu betrachten, ist ein Relikt aus der Menschheitsvergangenheit. Wir als Menschen, die wir uns doch gerne als Krone der Schöpfung sehen, haben selber einen Katalog der Menschenrechte entwickelt. Eine Waffe oder auch nur handgreifliche Gewalt lässt die Würde des Menschen nie unangetastet. Die Zukunft liegt, und ich wünschte die Gegenwart wäre schon so weit, in der gewaltfreien Konfliktbewältigung, der Mediation.

Doch nicht nur zur Verwirklichung einer für alle Menschen lebenswerten Zukunft, sondern auch zur Erhaltung von Kulturschätzen in unserer globalisierten, Kulturen verbindenden Zeit ist die Sprache unerlässlich. Sie hält in Literatur und Erzählungen der unterschiedlichen Kulturen deren individuelle Art zu denken, zu erzählen und zu leben fest.

Sprache, besonders in der Literatur, hat in unserer durch visuelle Medien geprägten Zeit im Gegensatz zu diesen die Fähigkeit behalten, unsere Phantasie in einer Weise anzuregen, die Raum lässt für freie geistige Entwicklung. Und dieses freie Denken ist in meinen Augen eine der wichtigsten Aspekte des Menschseins.

[Ab hier vom Verfasser für die Publizierung leicht geändert] Schon früh lernen wir, dass die geschickte Anwendung von Sprache für die jeweils angestrebten Zielen sehr nützlich sein kann. Wir müssen aber auch feststellen, dass es schwer ist, sie zu kontrollieren, und dass durch sie verursachte Verletzungen schwerwiegend sein können. Schon die natürliche Sensibilisierung für das menschliche Miteinander in der Phase des Erwachsenwerdens hilft jedoch, die positiv wirkende Kraft der Sprache zu nutzen, um Konflikte auf angemessene Art beizulegen.

[...]

Ich möchte behaupten, dass meine von mir oben dargestellte Sicht der Bedeutung der Sprache für die Menschheit und das Menschsein verdeutlichen, warum das Studium der Rhetorik eine nahe liegende Studienfachwahl für mich ist. Ich freue mich darauf, mich in Zukunft wissenschaftlich und praktisch mit Rhetorik und internationaler Literatur auseinanderzusetzen.

(Jonas Stegemann 03.07.2011)

Monday, November 28, 2011

(Die Reise beginnt)

Es duftet nach feuchtem Moos und modrigem Holz, irgendwo kreischen Vögel und flattern aufgeregt durch das Geäst. An einem auf der Erde liegenden Stamm wachsen einige Pilze im Halbschatten der Sträucher, die die kleine Lichtung säumen. Der weiche Boden ist bedeckt von grünem Gras, das an den Knöcheln kitzelt. An einigen Stellen glitzern Tautropfen in der goldenen Spätsommersonne. Ein ununterbrochenes Summen, das ständig an- und abschwillt liegt in der Luft, hin und wieder lässt ein leichter Windstoß das Laub rascheln und trägt eine Ahnung von Herbst mit sich.

Eine Bewegung am Rande der Lichtung lässt die Welt kurz innehalten, aufblicken, um dann gleich so zu tun, als ob sie nichts bemerkt hätte. Aus dem Schatten des Waldes löst sich eine kleine Gestalt, die, gefolgt von einer größeren, mit neugierigen Füßen über die Wiese huscht. Die nackten Füße hinterlassen kaum sichtbare Abdrücke im feuchten Boden, der sie gleich wieder zu schlucken scheint. Lautlos bewegen sich die Gestalten auf einen Fels zu, der halb überwuchert in der Mitte der Lichtung steht. Die Geräusche drum herum haben sich nicht geändert, sie sind vielleicht nur etwas gespannter geworden.

Drei dieser Gestalten stehen nun vor dem Felsen. Woher die dritte gekommen ist, oder ob sie bereits hier gewartet hat, ist nicht zu erkennen. Sie schieben Äste beiseite und befreien einige Stellen des Felsens von Moos und Flechten. Etwas braunes, garnicht steinhaftes kommt darunter zum Vorschein. Die Gestalten halten inne. Sie scheinen zu beratschlagen. Im langsam dämmernden Abendlicht ist zu erkennen, dass sie blaue Overalls tragen, dazu braune Mützen. Am Gürtel trägt jeder eine Taschenlampe und allerlei Gerät, das nicht sofort identifizierbar ist.

Eisen klimpert gegen Eisen, als eine der Gestalten einen Schlüssel aus seiner Overalltasche zieht und sich auf die freigelegte Tür zu bewegt. Lautlos dreht sich der Schlüssel im Schloss, knirschend öffnet sich die Tür. Ein dunkles Loch tut sich auf. Es riecht nach abgestandener Luft, nassem Stein und Erde. Es ist nicht erkennbar, ob es sich um einen Gang oder eine Höhle handelt: Einen knappen Meter reicht das Licht in das Dunkel hinab, dann ist dort nur noch das Schwarz der Ungewissheit.

Ich stehe auf, lasse meinen Blick noch einmal prüfend über die Lichtung wandern, versuche das Dickicht dahinter zu durchdringen und schleiche zu den Anderen. Wir begrüßen uns kurz, kontrollieren noch einmal unsere Ausrüstung und begeben uns gemeinsam in die Dunkelheit des muffigen Schlundes. Erst als die Tür hinter uns verschlossen ist, schalten wir die Taschenlampen ein.

(Jonas Stegemann 19.11.2011)

Wednesday, November 2, 2011

Die guten alten Zeiten (romantisiert)

Als Welt und Seel' noch einerlei,
Als Sterne noch in Sphären,
Als Menschengeist noch völlig frei,
Da wollt' ich mich vermehren.

(02.11.2011 J.S.)

Thursday, October 27, 2011

T.I.P Ta!

Ta, who comforted us in times of doubt,
who sheltered us on stormy days,
who chilled with us in sunny times.
You have given our travels shape,
as we shaped you inside.
You were our child, our father,
our companion day and night.
Everything we did, we did together.
We got up in the mornings,
relaxed during the days,
slept at night.
You always welcomed us warmly,
you cared for us loving,
you let us go in benevolence.
Tears where shed: of joy and happiness; and now
tears of a final goodbye.

We love you! We miss you! We will never forget you!
Travel in peace, Ta!

Friday, July 1, 2011

Gedankenlos

Steh und sieh zu!

wenn ich fließe, wandle und ergieße.

Bin ich fort, bist du,

wie zuvor an diesem Ort.

Schaust mir nach und blinzelst,

drehst dich um und blickst

voller Erwartung

dorthin,

woher ich kam.


(01.07.'11, Jonas Stegemann)

Thursday, June 2, 2011

Am Fenster

Manchmal komme ich mir vor wie der Protagonist in einer großartigen Inszenierung. Dann bin ich das Zentrum der Welt. Der tiefere Sinn liegt in mir selbst, in meinem Leben, in meiner puren Existenz.
Es bedarf keiner Suche nach der Erfüllung in meinem Leben, wenn Sonnenstrahlen durch die Wolken brechen und das frühe Grün eines neuen Jahres in so vielfältigen Schattierungen erstrahlen lassen, dass das Auge allein nicht reicht, um sie alle aufzunehmen.
Unter meinen Füßen spüre ich das Beben der noch schläfrigen Natur, die sich mit zittrigen Gliedern aus ihrer eisigen Umhüllung den nährenden Strahlen entgegenstreckt.
Auf schwankenden Beinen mache ich erste Gehversuche, taste mich durch die mir vertraute Welt, die mir nun so neu erscheint. Schritt für Schritt tragen die Bäume dichteres Laub in immer prächtigeren Grüntönen, wachsen buntere Blumen in allen Formen und Größen. Mit jedem Schritt fühl ich mich sicherer und mein Gang wird leichter.
Langsam breitet sich ein wohliges Kribbeln vom Bauch in den ganzen Körper aus. Jede Zelle scheint durch ein kleines Stück Glück ersetzt zu werden, das Blut durch reines Wohlgefühl.
Ein Windhauch lässt die Härchen an meinen Armen zu Berge stehen. Ich spüre die harte Rinde des Baumes vor dem ich stehe unter meinen Händen. Meine Fingerspitzen verfolgen die tiefen Furchen, die die Zeit gezeichnet hat. Plötzlich in all der schweren Weisheit des alten Holzes, eine Knospe. Umhüllt von schützendem Braun doch das Grün schimmert durch, lässt erahnen, dass sich hier bald Leben ausbreiten wird.
Ich blicke nach oben in das Blätterdach. Grün- und Gelbtöne rauschen sanft vor meinen Augen. Ab und zu blitzten die Sonnenstrahlen direkt hindurch. Wie auf einen See, der von einem Wind gestreift wird, starre ich hinauf.

(05.05.'11)

Traumkitsch

Die sanfte Haut der jungen Schönen, die er neben sich liegen sah konnte er auch von einem Meter Entfernung riechen. Der sommerliche Duft von heißer Haut, Salzwasser und Sonnencreme, der das Begehren bis zum Zusammenbrechen zu steigern vermag. Das Rauschen der sanft auf den Strand rollenden Wellen im Ohr, betrachtete er ihren nackten Rücken und rutschte auf seinem Handtuch ein wenig näher an sie heran. Scheinbar seit Stunden dösten sie so in der Sonne und er war sich nicht ganz sicher, ob sie ihn bisher wahrgenommen hatte. Ein unvermuteter Windstoß ließ ihn aufblicken. Die grünen Blätter der Palmen wiegten sich vor dem leuchtend azurblauen Himmel in dem einsamen Hauch verheißungsvoller Frische. Irgendwo im Hintergrund schrien spielende Kinder, doch er nahm sie kaum wahr. Viel mehr faszinierte ihn nun das leuchtende Rot des Bikinis, der ihm vorher gar nicht aufgefallen war. Seine Hand zitterte, als er sie zu dem Mädchen ausstreckte. Ihre Haut war so weich, wie er sie sich vorgestellt hatte, vielleicht sogar noch weicher. Er rückte etwas näher und sie schmiegte sich an ihn. Sanft streichelte er über die zarte Haut und es fing an in seinen Ohren zu rauschen.

Immer weiter steigerte sich das rauschen zu einem stechenden, künstlichen Ton. Er versuchte sich nach dessen Quelle umzusehen, doch seine Sinne schienen ihn im Stich zu lassen. Er konnte keine Formen mehr erkennen. Die Farben verblassten bis zu einer Nachtschwärze, die von abertausenden funkelnd goldenen Punkten durchsetzt war. Das einzige was da blieb war dieser Ton. Dieses Piepen...

(08.12.'10)

Wednesday, April 27, 2011

Jack and his green dirt bike

A story by Jonas Stegemann (C)

For Aharon

Chapter 1

Not long ago there lived a boy named Jack, not too far away from here on a farm. The farm was a long way from the city and surrounded by deep forest.

Jack loved to play in the forest, especially in an abandoned barn, which was overgrown with all sorts of plants. Often when he was very quiet Jack was able to observe all kind of animals. Sometimes he lay on the roof of the barn, watching squirrels, which moored their winter supply of nuts. He also saw birds that flew chirping about among the branches and in the fall of summer when he stayed till dusk, he could also see kangaroos, who dared out of the shadow of the forest into the clearing in front of the old barn.

One afternoon when he was lying on the roof of the barn observing a lizard that chilled before him in the sun the roof broke and he fell into the barn.

Fortunately, he landed softly on a haystack that must have lain in the barn for a very long time. It smelled damp and a bit mouldy. It was dark in here, because the windows were nailed shut with boards. As his eyes adjusted to the darkness, he crawled from the haystack and looked around.

Lots of strange objects were lying around. Garden tools hung on the walls and on a bench was a large tool box. On the wall above the bench hung some other devices posters of motorcycles. The whole room was full of dismantled engines and spare parts. His gaze wandered about the chaos and then saw it!

In one corner of the barn was a motorcycle! It was not just any motorcycle, but a dirt bike! A real dirt bike! Jack went up a little closer and saw that there had developed rust on the engine. But the colour of the dirt bikes could still be seen: Green! His favourite colour! Jack wiped the dust from the seat with one hand and climbed up. His feet were hanging in the air and he was hardly on the handlebars. Nevertheless, it felt so good! In the distance Jack could hear the laughter of the kookaburra and knew it was time to go home. Jack jumped off the bike and slipped out of the barn. Then he ran home.

Just before Jack fell asleep he decided to return the motorcycle the next day after school.

Chapter 2

The next day at school Jack was not quite focussed. He had to think about his dirt bike he found the previous day all the time.

As soon as he got home, he took off his school uniform and ran to the clearing with the barn. He cautiously opened the door. The mouldy damp smell rose to his nose and a ray of light fell on the motorcycle, which was still standing in the corner and seemed to wait for him. As on the previous day, Jack went to the bike and climbed onto the seat. He closed his eyes and in a few seconds he entered another world.

He raced his green bike on a long dirt road until he was so fast that he took off. He flew through the the sky, raced the birds and climbed ever higher, so that the world was getting smaller and smaller. Then he drove into the clouds. Up here above the clouds, there were dragons and knights, who lounged in the sun, magnificent castles in the air, and beautiful meadows. The knights beckoned at him in a friendly manner and the dragons spat colourful flames of welcome.

Jack turned his green dirt bike back into the clouds. When he came out underneath them, he saw a strange land. It was a country of high mountains with snow peaks, deep valleys where cows were grazing and small wooden houses lying in the sun before him. At the foot of the mountains were tiny villages where men in leather pants and blue shirts and women in traditional dresses strolled around. Everywhere there were flowers and streams, wells and fountains. He had never seen so much water before. The houses seemed to be unusually solid. Thick, heavy wooden beams bore the walls and bright balconies adorned almost every house. This must be Switzerland, Jack thought. He loved the photos in the books at home. So much water! With wide eyes he looked around and tried to absorb everything. He was sure to come back to this place one day!

Suddenly he heard a very well known laughter. The kookaburra! Like a whirlwind he raced with his motorcycle into the air. Passing the knights and dragons, castles and meadows and dived back into the clouds. When he opened his eyes, he was back in the barn. The dusk shimmered through the door in and showed that it was time to go home. He climbed off the seat and ran home. He told no one about what he saw. Only at night in bed he told his cuddly turtle what he had seen. Then he fell asleep.

Chapter 3

Whenever Jack had time, he ran to the barn, got on his bike, closed his eyes and traveled through distant worlds. Sometimes he moved with camels through the desert, then he explored impenetrable jungle. He flew over all the oceans and visited foreign countries. He even visited his friends in Germany.

But in most cases he dreamt of racing on dirt tracks. He performed amazing tricks and jumps and he always won, because with his flying green dirt bike he was invincible.

This went on for many years and Jack started to feel the desire to fix the bike. When he was sixteen he began to restore treasure. He dismantled the bike completely and took a long work experience at a garage to learn as much as possible about motorcycles. If he needed any advice he could always ask a mechanic who lived nearby and who was also his best friend now. It took Jack two long years restoring the old dirt bike.

Then came the big day. Jack now had his drivers license and finished school. It was time for all his dreams to come true.

One afternoon, he packed the most important things and said goodbye to his friends and family on the farm.

One last time he went to the old barn and pulled out his motorcycle. It glittered and sparkled in the sun and everyone on the farm were amazed when they saw Jack disappear like lightning in a cloud of dust in the distance.

The End

(15.04.'11)

wortbruch

du stehst vor dem spiegel
betrachtest dich
als künstler als dein eigenes kunstwerk gar
dein hübsches gesicht umrandet von blondem haar
wild
aber edel
deine brüste umschließt kein bh
ein bikini denn du weißt was später noch passiert
dadrüber ein leichtes sommerkleid
kurz
die nackten beine bis zum boden
barfuss
du spürst den sand schon fast zwischen den zehen
du drehst dich hin und her
bist ganz inspiriert von deinem spiegelbild
du fühlst dich wie ein poet in diesem moment
und denkst
a picnic under the big bright yellow sun
and then dancing with him in the summer rain
the moon shines above
when we make love


Ich hasse es.
Dieses kitschige Wortgebreche,
das ich dann auch noch schön finden soll.
Ich bin nicht wütend auf Dich,
auf euer Picknick.
Was kann ich schon empfinden so überhäuft
von Gefühlen, dass ich ganz emotionslos bin!
Ich picknicke nicht - ich esse,
weil the big bright yellow sun
für mich nicht mehr scheint
- seit Du weg bist.
Ich tanze auch nicht in the summer rain,
mich schütteln krämpfe unter heißen Tränen
- seit Du weg bist
Und das einzige, das shines above when we make love ist
eine Erinnerung an
die Liebe,
die Du einmal warst.

(07.04.'11)

Wednesday, February 16, 2011

Junge Kunst kennt kein Alter

Erschienen im "Bernstein: Zeitschrift für Bildung und Kultur" Nr. 13 (erstes Halbjahr 2009). Auflage 7500. http://bernsteine.bwveck.net/

Junge Kunst kennt kein Alter
von Jonas Stegemann

Gesellschaftlich – so wird gemunkelt – geht durch die Generationen ein rigider Trennstrich; da, wo junge und ältere, womöglich alte Menschen etwas gemeinsam unternehmen oder sich gut und freiwillig verstehen, sollten sie zu mindestens verwandt sein; sonst wird dieser Kontakt als suspekt empfunden. Jonas und Marianne sind nicht verwandt, verstehen sich aber vorzüglich. Wir baten den jüngeren (19) die ältere (72) kritisch zu würdigen.
Jonas Stegemann ist Mitglied der Jugendredaktion des Bernstein und Abiturient an der Freien Waldorfschule Eckernförde.


Bei meiner ersten Begegnung mit Marianne Tralau bot sie mir sofort das „Du“ an.
Diese erste Begegnung fand statt, nachdem ich eine ihrer Zeichnungen gesehen hatte. Die Zeichnung heißt „Streit“ und ist mit Graphit auf Papier festgehalten. Ich stand eine ganze Weile vor der Wand, an der das Bild hing und konnte mich nicht entscheiden, ob ich es für eine Krakelei oder Kunst halten sollte. Ich war fasziniert. Ich versuchte die Zeichnung zu verstehen und betrachtete sie daher vom Nahen, wie ich es bei Gemälden im Museum gewohnt war. Beim näheren Betrachten sollte man doch die Technik erkennen, die der Künstler gebrauchte um seine Aussage mitzuteilen. Dem war aber nicht so. Meine Verwunderung wuchs ebenso wie meine Begeisterung für diese Zeichnung, als ich merkte, dass ich, oberflächlich betrachtet, nicht mehr als einen Bleistiftstrich auf einem Stück Papier vor mir hatte. Ein recht bewegter, ungerader, freihändiger Strich noch dazu, der jedoch das Streitgespräch zweier Menschen auf den Punkt zu bringen vermag.
Mittlerweile kenne ich viele Zeichnungen von Marianne und kann diese auffällige Reduzierung der Mittel als einen eindeutig gewollten Stil der Künstlerin einordnen. Genau dieser Stil ist es auch, der mich seit der ersten Begegnung mit Mariannes Kunst fasziniert. Und damit stehe ich nicht alleine da. Wie Marianne selbst sagt, sind es vor allem Jugendliche, die sich von ihrer Kunst angesprochen fühlen, viele ältere Menschen fänden dagegen oft nicht den Zugang zu dieser Form der Kunst. Doch warum gerade Jugendliche?
In unserer Gesellschaft werden gerade junge Menschen mit farbenfrohen, ausgeklügelten, aufwendig produzierten Werbespots und Serien überschüttet. Die Medien versuchen uns durch versteckte Inhalte psychologisch zu manipulieren und bauen dazu eine nicht mehr überschaubare Scheinwelt auf. Künstlerische Formen werden nicht zum Zwecke der Kunst selbst genutzt, sondern um Halbwahrheiten zu verpacken und dem Konsumenten mundgerecht vorzusetzen. Gezielt spricht die Werbung, ungeachtet des Inneren, das äußerliche Oberflächlichkeit des Menschen an und erfindet Normen, die zu erfüllen das Ziel jedes Menschen zu sein scheint.
Doch auch wenn Jugendliche oftmals leicht manipulierbar sind, merken sie doch, wenn sie mit Lügen überschüttet werden. Diese Manipulation auf unrealistische, menschenfremde Forderungen nach möglichst reiner Haut oder Gegenständen mit angebissenem Apfel auf der Rückseite birgt eine Problematik, die gerade für Jugendliche, die sich ja in einer wichtigen Phase der Suche nach sich selbst befinden, äußerst schwerwiegend ist: Was ist wahr, wem können wir noch vertrauen?
Mariannes Zeichnungen sind anders. Sie versuchen nicht unser Äußeres zu „normalisieren“ oder uns zum Kauf zu überzeugen, wie Mariannes Biographie eindeutig beweist. Sie verstecken sich nicht hinter künstlichen Gesichtern, poppigen Effekten und erotisierender Nacktheit, sondern berühren den Betrachter innerlich durch ihre auf das Wesentliche reduzierte Art und Ehrlichkeit. Der Verzicht auf zum Beispiel perspektivische Korrektheit und andere stilistische Mittel irritieren den Betrachter zwar oftmals, sind aber durchschaubar und dann aber wesentlich für das Verständnis des Bildes. Obgleich Marianne Tralaus Zeichnungen meist eine politik- oder sozialkritische Botschaft beinhalten, verdeutlicht deren innewohnende Authentizität den Anspruch, ein freies künstlerisches Objekt, statt Mittel zum Zweck zu sein
Ich bin nach wie vor von Mariannes Zeichnungen fasziniert und habe selber ein Bild von ihr zu hause. Ich rate jedem sich ihre Ausstellungen anzusehen oder sie in ihrem Atelier, der Frühstücksbühne, zu besuchen, um selbst einen Eindruck Ihrer Kunst zu erhalten.
JS


Marianne Tralau im Internet:
http://www.m-tralau.de/

Monday, February 14, 2011

Entdeckung des Du im Ich

Verdunkelte Stadt,
verrammelte Tür,
einsame Straß
nur du, ich
:ein wir.

(14.02.'11)

Großstadtgedanke

Du sitzt nur da.
Den Blick auf den Boden gerichtet,
Wie ein Kind, das mit der Hand die Augen bedeckt,
Um nicht gesehen zu werden, nicht sehen zu müssen.

Ich frage mich:
Sitze ich auch manchmal so da?
In der U-Bahn, im Café, bei Freunden?
Bin ich so weit, dass ich nicht sehen müssen will?

Ich drehe mich um und sehe,
Dass jeder mal so da sitzt,
Nicht nur in dieser Stadt,
Und auch ich!
Und leise frage ich:
Wann wird ein Mensch
- unsichtbar ?

(08.02.'11)

Ein kleiner Nachtrag

"Ode an den Wein"

Oh Sonnenstrahl, der dich erweckt,
Aus Hügels Boden dich befreit!
Der wärme schickt auf reine Haut,
Zur prallen Reife lässt gedeihen!

Verärgere dich nicht, vergäre!

Oh zarter Tropfen deines Blutes,
Benetze meine zehr'nden Lippen!
Oh Zungenstreichler!
Oh Gaumenschmeichler!
Oh ganzen Körpers Wohlgefühl!

Umhülle mich mit Engelstüchern,
Öffne mein's Verstandes Tor,
Versetze mich in dreifach Schwingung,
Entfalte meiner Zunge Kraft!

Veränderst und betörst du mich?
Erweckst du in mir Phantasien!
Ergreifst du auch Besitz von mir,
Du bist doch mein und wunderschön!

(08.09.'10)

Tuesday, February 8, 2011

Klare Momente

Ich mag diese klaren Momente,
wenn Leben plötzlich greifbar wird
und die Frage nach Sinn sich erübrigt
- in diesem Augenblick.

Wenn mein Himmel aufreist
und ich unverschleiert sehen darf,
dass alles fließt,
dass alles schwingt,
dass alles liebt,
dass alles singt
- in diesem Augenblick.

Diese Momente kommen von innen und kommen allein.
Nach außen trage ich sie nicht.

Dann fällt der Vorhangt wieder
und ich klatsche noch zwei Minuten,
lausche dem Nachhall,
starre auf den schweren Stoff,
der an einigen Stellen leise glitzert.

Und wenn ich dann am nächsten Tag
wieder in der Kneipe sitz, mit Freunden,
die die halbe Wahrheit kennen,
versuch ich den Vorhang mit Gewalt zu öffnen.
Mit klaren
- aber keinen Momenten.

Nur schwerer wird der Stoff,
durchtränkt! mit verspiegelter Wirklichkeit,
immer schwerer bis zur Unbeweglichkeit.

Nur manchmal schließt ein Augenblick
zwei Menschen wie in einer Seifenblase ein.
Da ist dann Liebe, Hoffnung, Zuversicht,
Glauben an das Sein.
(02.02.'11)