Saturday, February 15, 2014

Das weiße Land

Ein eiskalter Nebel liegt schwer auf den ungepflügten Äckern vor den Fenstern des verrusten Zuges. Wie der Todesgruß aus einer anderen Welt, die Vergangenheit ist, legt er sich über die ungreifbare Gegenwart. Undurchdringlich. Die Blicke der grauen Gestalten sind auf die Füße und ihre unmittelbare Umgebung gerichtet. Wo sich ein Blick hebt, stößt er auf die weiße Wand und wird zurückgeworfen. Auf sich, auf das Jetzt. Es gibt keinen Ausblick, kein „den Blick schweifen lassen“ über die tote Erde. Keine Unterscheidung von hier und dort. Nur ein Damals, das nicht mehr als der letzte, kalte Atemzug einer sterbenden Erinnerung ist. Und ein Jetzt das aus dem Damals besteht und einer erschreckenden Ahnung der eigenen Existenz.
Kein Hasten, kein Drängen, als sich die Türen öffnen. Auf dem Bahnsteig stehen Wartende. Doch keiner wird von den ins Nichts Ausgespuckten erlöst. Die Neuankömmlinge gehen an ihnen vorüber und werden zu Alten, die Alten starren auf große Tafeln mit Ankunftszeiten und Abfahrtszeiten, Zeiten ohne Zusammenhang ohne Wert. Es wird keiner kommen.
Ich stelle mich zu den Wartenden und blicke ebenfalls hinauf zu den Tafeln. Die Bahnhofsuhr steht still. Der Minutenzeiger verbiegt sich seltsam, wie in dem Versuch wenigstens noch ein oder zwei der schwarzen Striche zu überwinden, um den Wartenden den Hauch einer Hoffnung auf Kommendes zu geben.
Ich sehe wie sich eine Hand aus der Umklammerung eines Kindes löst und sich gegen den eigenen Kopf richtet. Niemand beachtet diesen Mann in dem grauen Mantel, der sich in der Menge der Wartenden umdreht und mir in die Augen blickt. Die Hände verkrampft. Zitternd am ganzen Leibe. Als sich sein Finger krümmt. Stille. Kälte.