Tuesday, July 3, 2012

Eine Assoziationsgeschichte


Stand da nicht gerade noch der Schrank? Auf keinen Fall würde ich in diese wabernde Masse greifen, um mir ein Shirt herauszuholen. Das mit der Blume würde jetzt passen.
Ha! Jetzt ist da nur noch klebrige Ungenauigkeit. Ich wusste gar nicht, dass Ungenauigkeit rot ist.
In der Ecke schimmert das Telefon blau. Soll ich rangehen? Jetzt greift der Schrank nach mir. Ich lass es lieber dort liegen. Sich aufzuraffen etwas zu tun heißt zu vergessen, dass man auch nichts tun könnte. Wie philosophisch. Philosophie ist übrigens blau. Genau wie das Telefon. Vielleicht ruft Platon an? Sollte ich 'rangehen, über meinen Schatten springen? Gar nicht so einfach im liegen. Fliegen wäre jetzt gut. Ohne Mühe gegen die Schwerkraft. Widerstand! Aber geschmeidig. Wieso dröhnt jetzt doppelt blau? Die Tür! Ich sollte öffnen. Müsste öffnen. Aber verschlossen. Die Ketten an meinen Füßen? Nein. Nur Socken. Ich muss raus aus dem Nebel, weg von dem Schrank. Das blau muss aufhören! Schatten wandern. Dann Sternenhimmel, Milchstraße, Mond. Dann klingeln und Gold.

Ich blinzele. Die Sonne steht mir genau ins Gesicht. Ein schrecklicher Zustand. Und ausgerechnet immer dann, wenn ich nicht erinnere, wie ich ins Bett gekommen bin. Wenn man das Bett nennen kann. Dieser Haufen Kissen, der mich vor dem Linoleum schützt. In meinem Schädel hallt das Echo eines animalischen Schreis von einer Wand zur anderen. Das Rollo müsste ich zumachen doch jede Bewegung scheint mich zu zerreißen. Eine Welle Nadeln dringt bei jeder Regung von oben in mich ein, durchdringt mich vom Kopf durch die Schultern und Arme, abwärts durch den Magen und alle Gedärme bis in die Beine und Füße. Strafe der Götter! Ich lege mir ein Kissen aufs Gesicht und schließe die Augen. Stille. Kein Rauschen. Nur Leere.

Warum stehen diese Leute um mich herum? Wieso sind hier so viele in der Küche? Schwarz ist keine Farbe und doch kleidet sie diese Gestalten. Vorsichtig öffne ich ein Auge. Sie bewegen sich nicht. Sprechen nicht. Atmen nicht. Besser nicht zeigen, dass ich wach bin. Ein dunkler Wind und ich bin wieder allein. Auf einem Waldweg. Goldene Sonnenstrahlen streifen durch das Geäst, verändern die Schatten bei jedem meiner Schritte. Ich sehe immer weniger! Es dämmert! Ich beginne zu laufen, doch die Dunkelheit ist schneller. Irgendwann wird es schwarz und ich weiß nicht wo ich bin.

Es ist kalt, als ich erwache. In der Dunkelheit des Zimmers kann ich die Uhr nicht entziffern. Es muss aber abends oder morgens sein, denn ein wenig dämmriges Licht dringt durch die Jalousie. Mein Schädel dröhnt, als hätte ich mit ihm eine Tür eingeschlagen. Oder mehr noch eine ganze Wand eingerissen. Es ist still. Nur das rauschen der Autos und das leise unbestimmte Ticken der Uhr durchdringen die schummrige Dämmerstimmung. Ich liege halb auf dem kalten Linoleum, halb auf 
meiner Matratze. Der Kopf natürlich auf dem harten Boden.  

(JS 2012)