Wednesday, March 21, 2012

Morgens im Büro

(Der letzte Zivi – Die dritte Woche: Ein Rückblick)

Es ist neun und ich sitze wie jeden morgen im Büro über ein Buch gebeugt und versuche mein Frühstück, ein Käsebrötchen, hinunterzubekommen. Nebenbei schlürfe ich ab und zu an meinem lauwarmen Kaffee vom Vortag. Scheußlich, gehört aber irgendwie dazu. Seit dem ich hier als Zivi arbeite ist es jeden morgen dieselbe Routine.

Aus den Augenwinkeln sehe ich den Chef ins Büro schlurfen. Was macht der denn schon hier? Normalerweise ist er nicht vor elf anzutreffen, was ich auch unzähligen Kunden immer wieder erklären muss, die offensichtlich den frühen Wurm fangen. Zu meinem Leidwesen bin ich dafür verantwortlich diese verfrühten Anrufe entgegenzunehmen. Für mich heißt das jedes Mal: die Lektüre unterbrechen, den Mund mit einem Schluck Kaffee spülen und mit einem freundlichen Lächeln (das hört man wirklich am anderen Ende) den Hörer an mein müdes Ohr drücken.

Jetzt aber schleicht er durch das Großraumbüro auf sein kleineres Chefzimmer zu. Ich vergrabe mein Gesicht in den Seiten von „Das bin doch ich“, beobachte aber die schlurfenden Schritte vom Chef unter den Buchrand hinweg. Die polierten Lederschuhe bleiben stehen. Mein Herz beginnt zu rasen. Was hat das zu bedeuten. Ich hebe das Buch etwas höher, um heimlich einen Blick auf den Chef zu werfen. Er blickt mich an. „Hallo“, sagt er und grinst. Guten Morgen will ich antworten, was herauskommt klingt aber eher wie „Norg“. Langsam setzt sich mein Gegenüber wieder in Bewegung und verschwindet durch die Glastür in seinem Zimmer. Erst jetzt merke ich wie dämlich ich aussehen muss mit dem Buch vorm Kopf, unter dem ich hindurchluge. Schnell lasse ich das Buch sinken. Ich warte noch kurz, bis die Tür ins Schloss fällt und genehmige mit einen großen Schluck Kaffee. Mit dem Ärmel wische ich den Schweiß von Stirn und der Oberlippe. Ich habe es geschafft! Die Angst einen Auftrag zu bekommen, eine Arbeit verrichten zu müssen, ist nie so größer gewesen, als wenn ich hier sitze: morgens um neun, Kaffee trinkend in meine Lektüre vertieft.

(JS 20.07.2011)

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